Wisst Ihr noch? Den großen Überraschungsmoment der Plus Size Fashion Days 2015 gab es für Tine Wittler mit der Vergabe des Support Award – offiziell sollte sie eigentlich selbst einen Award vergeben. Wir konnten mit der deutschen Fernsehmoderatorin, Filmproduzentin, Unternehmerin und Buchautorin aus Hamburg über die Plus Size Fashion Days, den wichtigen Stellenwert des Kleides und ihre vielen großartigen Projekte sprechen.
© Axel Kirchhof
Herzlichen Glückwunsch zu dem Support Award der Plus Size Fashion Days – das war ja eine Überraschung! Wie hat Ihnen die Veranstaltung insgesamt denn gefallen?
Vielen Dank für die Glückwünsche! Die Veranstaltung war ganz grandios, ich bin noch ganz beseelt davon! Es war ein großartiger Abend mit lauter wunderschönen, mutigen Frauen – und dabei mindestens genau so glamourös und aufregend wie andere Fashion Shows. Was die Mode betrifft, so war viel Schönes und auch Innovatives dabei. Bei anderen Sachen wiederum dachte ich: Ooh mei, das wird wohl nicht den Weg in meinen Kleiderschrank finden. Aber da haben wir es wieder: alles Geschmackssache!
Arbeiten Sie bei einem solchen Event mit einer Stylistin zusammen oder kleiden Sie sich selber ein?
Da ich mit meinem Modelabel kingsizequeens ja selbst Mode mache, kleide ich mich natürlich selbst ein. Den Haarturm allerdings fertigt dann jemand anders. An den Hinterkopf komme ich allein so schlecht ran! :)
Sie designen selbst mit ihrem Modelabel "Kingsizequeens" sexy Kleider in großen Größen. Woher nehmen Sie Ihre Inspirationen?
kingsizequeens steht nicht dafür, Trends hinterherzulaufen, die unter Umständen gar nicht „unsere“ Trends sind. Wir legen Wert auf figurbetonte Schnitte, tiefe Ausschnitte, wunderbar fließende Stoffe. Und machen unsere Kundinnen so zu „kingsizequeens“! Verstecken war gestern – wir betonen Kurven und ermutigen alle Mädels, zu sich und ihrem Körper zu stehen. Unsere Dekolletés sind in der Regel zum Niederknien und unsere Kundinnen genießen das sehr. Die Zeiten, in denen kurvige Frauen sich das Mantra „kaschieren, kaschieren, kaschieren“ um die Ohren hauen ließen und es auch noch glaubten, sind zum Glück vorbei! Aber wir müssen noch mutiger werden.
Tine bei den Plus Size Fashion Days 2015
Was würden Sie einer Frau raten, die noch nicht ihren eigenen Style gefunden hat?
Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren! Vor allem auch jenes ausprobieren, von dem man denkt: „Das steht mir doch nicht“. Wir haben mit den kingsizequeens schon in vielen Mädels die Leidenschaft fürs Kleid entfacht – das Weiblichste, für mich Schönste aller Kleidungsstücke. Ein gut geschnittenes Kleid macht einfach immer etwas her – und ist so leicht anzuziehen, weil die Suche nach Kombinationen entfällt. Man ist von Kopf bis Fuß gut angezogen und kann sich beim Styling bei den Accessoires wunderbar austoben.
Seit 2013 engagieren Sie sich mit der Bewegung "ReBelles" für Körpervielfalt und -akzeptanz in Gesellschaft und Medien. Die „ReBelles“ – Sie vorneweg – bestärken u.a. Schülerinnen in ihrem Selbstwertgefühl, die keine Modelfiguren haben. Welche Projekte setzen Sie in diesem Kontext um?
Zum Beispiel einen solchen "Kamikaze"- Auftritt wie auf der Show der Plus Size Fashion Days, wo ich den Laufsteg mit einem riesigen Schild mit der „ReBelles“-Message darauf gestürmt habe: "LOVE YOUR BODY, FREE YOUR MIND". Das Schild haben die „ReBelles“-Mädels und ich gemeinsam von Hand gebastelt, bei einer Sitzung des „ReBelles“-Stammtisches, der jeden ersten Samstag im Monat ab 16h in meiner café parallelwelt bar in Hamburg stattfindet. Alle sind willkommen! Es gibt außerdem eine facebook-Gruppe, und ich bin viel zu Vorträgen, Lesungen und Filmvorführungen mit „Wer schön sein will, muss reisen“ unterwegs. Es geht darum, allen von uns das Bewusstsein zu vermitteln, dass unsere Körper mehr sind als nur Projektionsflächen für Ideale oder Äußerlichkeiten. Sie sind unser Zuhause, mit dem wir uns auf dieser Welt bewegen, Dinge tun können, die wir tun möchten. Aber sie sind nicht dafür da, „schön“ zu sein.
© ReBelles
Sie haben ein tolles Sachbuch geschrieben und dazu einen gleichnamigen Dokumentarfilm mit dem Titel „Wer schön sein will, muss reisen“ gedreht. Was ist das Wertvollste, was Sie auf Ihrer Reise nach Mauretanien über Schönheitsideale gelernt haben, was Sie vorher noch nicht wussten?
Dass ein Schönheitsideal oft gar nichts mit Optik zu tun hat, sondern vielmehr mit sozioökonomischen Rahmenbedingungen einer Gesellschaft: Ist ein Land arm oder reich, zum Beispiel. Und dass Schönheitsideale auch dafür genutzt werden können, um Frauen beschäftigt und klein zu halten. Umso wichtiger ist es, dass wir selbst entscheiden, wofür wir unsere Energie einsetzen wollen. Ich persönlich habe für mich beschlossen: Ich bin nicht auf der Welt, damit andere mich betrachten und als „schön“ bezeichnen. Ich bin auf der Welt, weil ich etwas zu sagen habe, etwas bewegen und kreativ sein möchte.
Was war der prägendste Moment Ihrer Karriere?
Bisher mit Sicherheit die Produktion von „Wer schön sein will, muss reisen“ als Kinofilm und die anschließende Auszeichnung des Films mit dem „Prädikat: Wertvoll“. Die Arbeit am Projekt hat über 4 Jahre gedauert, von der ersten Idee bis zum fertigen Film. Es dann gleich damit ins Kino zu schaffen und noch dazu dieses Gütesiegel zu erhalten, entgegen aller Unkenrufe und mit einem solch schwierigen, kontroversen Thema – das hat mich schon ein bisschen stolz gemacht.
Auf welche zukünftigen Projekte freuen Sie sich?
Im November feiere ich in Hamburg in meiner kleinen café parallelwe.lt bar Premiere mit meinem Chansonprogramm „LOKALRUNDE – Tresenlieder, schlückchenweise“, das ich dann auch regelmäßig dort spielen werde. Das dazugehörige Buch „LOKALRUNDE – Tresenlyrik, schlückchenweise: Bar-Gedichte und Cocktail-Rezepte“ ist soeben erschienen. Mit den Lesungen und mit dem dazugehörigen Chansonprogramm gehe ich in 2016 auf Tour, denn, jaja: Jetzt singt sie auch noch! ☺ Man kann mich mit Lesungen oder Chansons übrigens auch bundesweit buchen – wer weiß, vielleicht bin ich irgendwann in Eurer Stadt zu Gast (mehr Infos: www.tinewittler.de) Und dann gehe ich mit meinem Lieblingspianisten Greg auch noch ins Tonstudio, um zu „LOKALRUNDE“ das dazugehörige Studioalbum zu produzieren. Es soll noch 2016 erscheinen.
Vielen Dank für das tolle Interview! Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!