Was macht eigentlich ein Fitting-Model und was sind die Voraussetzungen dafür, eins zu werden? Wir haben das Model Mandy Scazzari zum Interview getroffen, um genau diese Fragen zu klären.
Zufall, Glück und etwas Mut haben Mandy dazu verholfen, mit 30 ihren Traum vom Modeln zu verwirklichen.
Doch wie genau hat sie das geschafft? Wie läuft ein Shooting mit einem solchen Model ab? Und wie groß ist überhaupt die Nachfrage?
(c) sheego
Unter einem Fitting-Model kann man sich am besten eine lebendige Schneider-/ Schaufensterpuppe vorstellen, welcher Kleidungsstücke angezogen werden. Im Gegensatz zu dieser kann ich allerdings sagen, wenn ein Kleidungsstück nicht richtig sitzt oder was ich über dieses denke (Stoff, Schnitt, Style, Wohlfühlfaktor, etc. ).
An mir werden z. B. neue Kollektionen getestet, Outfits für Modeshows / TV Präsentationen / Shoppingsender zusammengestellt, so wie Retourensendungen begutachtet.
Leider gibt es in den Plus-Size Größen nicht so viele Fitting-Models, da dieser Job sehr unbekannt ist, weswegen es sich lohnt, bei Marken einfach mal anzufragen.
Das ist schwer zu sagen, da es z. B. auf die Jahreszeit drauf ankommt. Die meisten Buchungen basieren auf Grund neuer Kollektionen. Hier wird jedoch nicht jedes Kleidungsstück, was produziert wurde, an Fitting-Models getestet. Dies erfolgt entweder stichprobenhaft oder dann, wenn man sich unsicher bezüglich des Tragekomforts ist.
Im Schnitt würde ich jetzt aber mal behaupten, dass es 90-100 Buchungen sind. Ich habe eine feste Modemarke, so wie andere oder kleinere Designer, von welchen ich gebucht werde.
(c) sheego
Diese sind ganz unterschiedlich, je nachdem für was man gebucht wurde.
Bei neuen Kollektionen trägt man die Kleidungsstücke vor den Designern. Diese schauen dann, wie die an einem sitzen und stellen entsprechende Fragen:
Kannst Du Dich gut bewegen?
Passt die Länge vom Ober- / Unterteil?
Sitzt das Ober- / Unterteil passend oder zwickt etwas?
Ist der Halsausschnitt zu hoch / tief?
Sollte etwas weiter / enger gemacht werden? Etc.
Je nach Antwort und Nachempfinden werden die Stücke dann geändert oder angepassst. Das neue Muster wird dann erneut begutachtet und wenn alles passt zur Produktion freigegeben.
Bei Retourkleidung geht es eher darum rauszufinden, ob der Retourgrund nachvollziehbar ist und man dann evtl. dieses Kleidungsstück vor der Bestellung einer neuen Charge verändern muss oder ganz aus dem Sortiment nimmt.
Daher kann ich jedem immer ans Herz legen, seine Kleidungsstücke (gerne detailliert) zu bewerten, da nur dadurch die Labels wirklich wissen, ob sie an diesen etwas verändern sollten oder ob sie den Geschmack der Kunden treffen.
Bei dem Thema Styling für Präsentation hingegen steht man wirklich wie eine Schaufensterpuppe da und bekommt ganz viele verschiedene Kleidungsstücke angezogen. Hier wird eher drauf geachtet, wie sich das Kleidungsstück beim Laufen oder in der Bewegung verhält oder wie diese miteinander harmonieren. So wird z. B. bei Oberteilen geschaut, ob ein BH durchschimmert. Falls ja wird vermerkt, dass man dementsprechend passende Unterwäsche (bei Shows oder Shootings) tragen sollte.
(c) sheego
Wie die Marke sheego schon sagt, ist kein Körper gleich, d. h. jeder Figurtyp hat seine eigenen Stärken und Schwächen. Daher ist es z. B. wichtig, Kleidungsstücke an unterschiedlichen Fitting-Models zu testen, um so zu sehen, welchem Figurtypen diese besser stehen und welchem nicht.
Meiner Erfahrung nach arbeitet ein Großteil der Modemarken mit Fitting-Models. Es ist wichtig, mit diesen zu arbeiten, da man nur an einem richtigen Körper erkennen kann, ob Kleidungsstücke richtig sitzen.
Eine Schneider-/Schaufensterpuppe ist einfach nur steif und von der Bewegung her eingeschränkt, so dass das Kleidungstück einfach nur hängt und man nicht wirklich auf einen Figurtypen eingehen kann. Ein menschlicher Körper hingegen lebt von seiner Kurvenvielfalt und Bewegung, wodurch die Kleidungsstücke sich ganz anders verhalten.
Durch Zufall, Glück und etwas Mut. Ich war damals mit einer Freundin bei dem allersten Style Event von Sheego. Auf diesem wurde man toll gestylt, schön angekleidet, fotografiert und sogar ausgemessen, was auf einer kleinen Karte für jeden persönlich notiert wurde.
Als meine Freundin meine Maße sah, meinte sie, dass ich doch mal nachfragen soll, ob sie ein Fitting-Model suchen, da ich von diesen her passen würde. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich diese Art des Modelns nicht und war anfangs etwas skeptisch, ob sie das ernst meint oder sich einen Scherz erlaubt. Ich fragte trotzdem bei der Dame nach, welche mich vermessen hatte. Ein kurzer Blick auf mich und meine Maße reichten und sie meinte, dass ich meine Kontaktdaten gerne einmal hinterlassen kann, da ein Fitting-Model mit ähnlichen Maßen und der Größe aufgehört habe und sie dadurch tatsächlich jemanden suchen.
Und was soll ich sagen? Zwei Wochen später bekam ich einen Anruf, dass sie es gerne mit mir versuchen möchten und weitere 2 Wochen später hatte ich meinen ersten Auftrag und darf mich bis heute über regelmäßige Buchungen freuen.
Wichtig ist, dass man wortwörtlich ein Gespür für Mode hat, also für die Kleidungsstücke und ihren Sitz. Von Vorteil ist es, wenn Brust-/ Hüftumfang stimmig sind, sodass man bei den Oberteilen und Hosen eine Größe hat.
Man sollte kontaktfreudig und offen sein sowie keine Angst davor haben, wenn einem mal ein Maßband angelegt, beziehungsweise an einem rumgezupft wird.
Ich finde es immer sehr Interessant, die Designer zu beobachten, da sie meist so in ihren Gedanken versunken sind, dass man richtig sieht, wie sie vergessen, dass vor ihnen ein Mensch und keine Schneiderpuppe steht. Da wird dann wirklich überall rumgezupft. Bei Änderungen werden dann teilweise die Kleidungsstücke mit Nadeln abgesteckt oder angeschnitten, aber ich wurde bis heute weder gepikst noch angeschnitten.
(c) Christian Fischerkeller
Seit meinem 14. Lebensjahr träumte ich schon davon, einmal als Model zu arbeiten. Ich war zuvor schon immer von der Kunst der Fotografie begeistert und wie man einfach in verschiedene Rollen schlüpfen kann.
Ich hatte mich hobbymäßig fotografieren lassen und auch selber fotografiert. Da damals aber Kurven nicht so angesehen waren, habe ich mich nie getraut, mich mit meinen Bildern bei Agenturen zu bewerben.
Mit 18 Jahren (und einem auf 60kg runter gehungerten Gewicht) traute ich mich zwar dann mit einem Schritt Richtung Modelwelt, wurde dann aber schwanger, wodurch ich dies hinten anstellte.
Erst mit 28 Jahren und 30kg mehr nahm ich den Traum wieder auf. Zuerst versuchte ich es über Instagram, da die Medien immer wieder voll mit tollen Erfolgsgeschichten waren und ich mir dachte „Was die können, kann ich auch“, aber es ist wirklich alles andere als einfach. Man muss sehr viel Zeit und Geld darin investieren und als verheiratete Zweifachmama war dies wirklich hürdenreich.
Mit 29 ging ich, dank der Unterstützung meines Mannes, zu verschiedenen Castings, Events, bewarb mich bei Agenturen und schrieb mit Eigeninitiative Fotografen / Marken an. Wie erwähnt kam ich dann mit 30 meinen Traum endlich näher und erfüllte ihn mir. Wobei mir das anfangs nicht so bewusst war, dass ich es wirklich geschafft hatte. Wenn ich zu den Fittings ging, hieß es zwar immer „ Unser Model ist da“, aber so wirklich realisiert hatte ich das nie, dass ich gemeint war, da ein Model (in meiner Vorstellung) eben „nur“ auf Laufstegen läuft oder vor Kameras shootet. Erst nach einem halben Jahr wurde mir klar, ich habe es wirklich geschafft! Ich darf meinen Traum leben!
Mein absoluter Traum ist es, in der Mode von sheego einmal bei den Fashiondays von Kurvenrausch auf dem Laufsteg zu laufen. Das wäre für mich mehr als nur ein 6er im Lotto! Dies wäre eine wundervolle Bestätigung und Statement dafür, dass man nie zu alt ist, seine Träume zu erfüllen und es auch im Modeln nicht aufs Alter, sondern auf den Willen ankommt.
Ich versteckte zuvor schon meinen Körper nicht, habe diesem gegenüber aber eine größere Akzeptanz durch das Modeln erfahren. Ich war vorher auch schon selbstbewusst, aber nun bin ich es in einer glücklicheren Art. Ich mache nun das, wovon ich als Teenager schon immer geträumt habe und nie gedacht hätte, mir diesen Traum mit 30 doch noch erfüllen zu können und dafür bin ich dankbar.
Genau so mache ich anderen Mut, ihren Träumen nachzugehen oder bin z. B. im Freundeskreis für andere Mütter ein Vorbild, da ich zeige, dass man als Mutter auch mehr kann als nur Wäsche waschen, den Haushalt schmeißen und seinem normalen beruflichen Alltag nachgehen.
Plus-Size sollte sich nicht der Mode anpassen, sondern die Mode der Plus-Size-Nachfrage. Die „schwarzen“ Zeiten sind vorbei. Wir Frauen mit etwas mehr Kurven wollen uns nicht mehr hinter dunklen Farben verstecken, die uns zwar optisch schlanker, aber farblich nicht glücklich, machen. Wir wollen in den Kleidungsstücken akzeptiert werden, in welchen wir uns wohlfühlen.
Wir wollen knallige Farben, knielange Kleider und schöne Muster tragen und auffallen. Die Kollektionen von Miyabi Kawai sind das beste Beispiel hierfür. Mode kann mehr als nur uns bekleiden. Kleidungsstücke können uns in einen so schönen und glücklichen Gefühlsrausch versetzen. Es ist einfach schön, wenn man ein Kleidungsstück trägt, welches einem so gut tut, dass man breit grinsend durch die Straßen mit einer powervollen Ausstrahlung läuft.
Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft endlich aufhört gegen die verschiedenen Körperformen zu hetzen. Egal ob dick, dünn, groß, klein, etc. jeder hat das Recht auf Mode und sich so zu kleiden, wie er sich wohl fühlt! Frauen sollten sich nicht ständig untereinander konkurrieren oder fertig machen. Jede Frau, egal welche Körperform, hat ihre Problemzonen! Ich sage immer „leben und leben lassen“!
Wir bedanken uns für das spannende Interview und wünschen Die weiterhin viel Erfolg bei Deiner Model-Karriere!