Maja vom Wundercurves-Team
Ich habe kürzlich meinen Kleiderschrank ausgemistet und dabei festgestellt, dass die meisten meiner Klamotten bis zu 5 Jahre alt sind. Vieles davon trage ich eigentlich nicht mehr gerne und einiges passt mir ehrlicherweise auch nicht mehr, ich war aber bis zu dem Punkt zu stolz, sie abzugeben – „vielleicht pass ich ja dieses Jahr irgendwann wieder rein“. Der rigorose Ausmistvorgang war wichtig, um Platz für Neues zu schaffen. Ich hatte Lust, mich zu verändern, mehr aus mir zu machen und auch: mich wohler zu fühlen in meiner Haut.
Also habe ich ordentlich Online-Shopping betrieben und meine Öko-Gedanken dabei zur Seite geschoben mit dem Argument, dass ich ja nun 5 Jahre die Füße stillgehalten habe. Zum ersten Mal habe ich mich getraut, Klamotten zu kaufen, die ich sonst als zu hip abgelehnt hätte oder als unangemessen für meine Figur. Ich habe für mich beschlossen, dass ich mitmachen darf im Fashion-Zirkus, auch als etwas beleibtere junge Frau.
Während das ein befreiender und empowernder Moment für mich war, von dem ich nun fortlaufend mit meinen coolen Outfits zehre, bin ich auch ins Denken geraten, was das eigentlich aussagt über mein Verhältnis zu meinem Dicksein. Ich fühle mich jetzt deutlich wohler in meiner Haut – jetzt, wo ich das Gefühl habe, das Paket gut zu verpacken.
Generell ist mir schon öfter aufgefallen, wie aufwendig schön gestylt viele kurvige Frauen sind und mit wieviel weniger Mühe meine skinny Freundinnen durchkommen. Dann habe ich diesen Artikel von Marie Southard Ospina gelesen und sie kam zum gleichen Punkt. Von dicken Frauen wird mehr erwartet als von dünnen Frauen.
Wir dicke Frauen, muss man dazu wissen, sind der Gesellschaft nämlich ein Dorn im Auge, wir passen nicht rein, nicht nur in die Größe 36, sondern auch in das enge Korsett, in das man uns Frauen gerne zwängen würde. „Seht gut aus und die Welt ist in Ordnung“ – ruft es von allen Ecken. Und da ist unser Dicksein natürlich problematisch, denn dick sein ist nicht die Norm, ist nicht klassisch schön in den Augen derer, die gerne blind bleiben wollen in einer Welt voller kurviger Frauen.
Und weil das so ist, müssen wir unser Dicksein „kompensieren“, sei es durch einen besonders hippen Stil, wie in meinem Fall, oder, viel häufiger, durch einen hyperfemininen Stil. Plissierte Röcke umschwingen unsere idealerweise stundenglasförmigen Körper und verdecken dabei praktischerweise auch noch die Dellen in den Oberschenkeln, die ja nun wirklich niemand sehen will. Während das ein Stil ist, den viele kurvige Frauen natürlich auch bewusst wählen und wählen sollen, ist es eben oft auch eine Flucht in die Hyperfemininität, die uns wieder ins rechte gesellschaftliche Licht rücken soll. Damit die Gesellschaft dann denkt „Na gut, sie ist zwar dick, aber wenigstens ist sie nicht faul und macht was aus sich“.
Ungeschminkt sein, der out-of-bed-look, das Tragen von sackiger oder einfacher Kleidung wird nämlich schnell genau so gesehen: als Faulheit. Bei dünnen Frauen hingegen ist das cool und sooo natürlich. Um den Aufwand beim Styling zu komplementieren, sollten wir bestenfalls noch ab und zu mal in Gesprächen einstreuen, dass wir 3 Mal die Woche Sport machen, dies dann auch bei Instagram dokumentieren und natürlich vor Publikum nur Salat essen.
Unser Körper steht unter ständiger Beobachtung, das Dicksein ist wie ein auffälliger Hut, den man immer trägt und von dem sich Leute stetig aufgefordert fühlen, ihn zu bewerten, zu kommentieren und die Gesundheit des Trägers zu beurteilen. Apropos Gesundheit, abgesehen davon, wie sexy, schön oder cool wir gesehen werden „trotz“ unseres Gewichts, gibt es auch noch den Gang zum Arzt, der sehr unterschiedlich ausfallen kann, je nachdem, wie man sich präsentiert.
„Es gibt einen Grund dafür, warum mein Arzt mir sagt dass ich ‚gesund aussehe‘ wenn ich perfekt gestylt in die Praxis komme (als ob Gesundheit korrelieren würde mit der Blushmenge, die sich auf meinen Wangen häuft). Und es gibt auch einen Grund, warum er mich wiegen und meinen Blutdruck messen will und mir ein Prospekt über gesunde Ernährung aushändigt, wenn ich in Jogginghose, ungeschminkt und nach einer unruhigen Nacht ankomme.“ schreibt Marie in ihrem Artikel.
Wenn wir dicke Frauen es schon nicht schaffen, die Frau zu sein, die erwartet wird, die wir sind, dann müssen wir uns eben etwas mehr Mühe geben, um das Ergebnis etwas ansprechender und besser bekömmlich zu gestalten, so scheint es.
Von dicken Männern wird das bei weitem nicht so erwartet, die Körperfülle von Männern ist zudem deutlich weniger Thema, und wenn doch, dann ist sie „knuffig“, „bärig“ oder „gemütlich“, während man diese Adjektive bezogen auf Frauenkörper selten hört.
Wir bedienen hier also ein von außen auferlegtes Konzept von Schönheit und Femininität, das nicht zwangsläufig das eigene sein muss. Und während ich nicht finde, dass wir uns gar nicht mehr in schöne feminine Kleider hüllen sollten, finde ich sehr wohl, dass die Gesellschaft sich auch an andere Stile von dicken Frauen gewöhnen sollte. Inklusive einem, der keinen Aufwand erfordert und trotzdem in Ordnung ist. Am Ende wünsche ich mir nur, dass wir einfach in dem Outfit und mit dem Styling nach draußen gehen können, auf das wir Lust haben – ohne dabei konstant beurteilt zu werden.