Das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung hat im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Studie durchgeführt, die beweist, dass Menschen, die aufgrund ihres Körpergewichtes diskriminiert werden, weniger dagegen tun, als Menschen mit einer Behinderung.
Es ist eine Studie, die aufmerksam macht auf ein Thema, das oft hinten runterfällt und gleichzeitig wachrüttelt. Denn zu viele Menschen lassen sich Diskriminierung wegen ihres Gewichtes gefallen und gehen nicht dagegen vor.
In dem zwölfseitigen Bericht "Eine Frage von Gewicht: Gründe für unterschiedliches Reaktionsverhalten bei erfahrener Diskriminierung" wird aufgezeigt, wie wenig man auch tun kann gegen diese Art der Benachteiligung.
In Deutschland gibt es ein Diskriminierungsschutz, der sich an festgelegten Merkmalen orientiert. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz untersagt somit, dass wir beispielsweise aufgrund unseres Geschlechts, unserer ethnischen Herkunft oder unserer körperlichen Beeinträchtigungen diskriminiert werden dürfen.
Erfahren wir jedoch Benachteiligungen wegen unseres Gewichtes, sind wir gesetzlich nicht dagegen geschützt. Tatsächlich zeigt die Studie, dass sich Menschen, die wegen einer Behinderung Benachteiligungen erfahren müssen, sehr viel öfter rechtliche Schritte gegen die Verursacher einleiten, als jemand, der wegen seines Gewichtes diskriminiert wird.
2015 wurde die Befragung durchgeführt, in der die zwei Merkmale körperliche Beeinträchtigung und Körpergewicht gegenübergestellt wurden. Die Befragten sollten von zwei Erfahrungen der letzten 2 Jahre berichten, bei denen sie besonders schwer benachteiligt wurden.
Parallelen lassen sich durchaus erkennen. Für körperlich beeinträchtige Menschen kann sich Diskriminierung z. B. in Form von fehlender Barrierefreiheit äußern. Auch für fülligere Menschen kann mangelnde Barrierefreiheit ein Thema sein, z.B. bei Sitzen, die für hohe Gewichte nicht konstruiert sind oder medizinische Geräte, die sich für weite Körperumfänge nicht eignen.
Unterschiede sind aber auch sehr deutlich zu erkennen. Kurvige Menschen berichten eher von Beleidigungen und Beschimpfungen. Menschen, die zu einem fülligeren Körpermaß neigen, werden häufig als faul, ohne Selbstkontrolle und unattraktiv wahrgenommen. Und genau wegen dieser Wahrnehmungen müssen kurvige Menschen auch Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt ertragen.
Die Studie untersucht Reaktionen, die sich gegen die Verursacher und Verursacherinnen richten, wie Beschwerden bei Betriebsräten, dem Chef oder das Einleiten juristischer Schritte. Bei 37,8 Prozent der Fälle, die von Diskriminierung aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen berichten, wurde auf diese Benachteiligung nicht reagiert.
Deutlich höher ist dieser Anteil bei Menschen, die aufgrund ihres Gewichtes benachteiligt wurden. Er liegt bei 65,7 Prozent.
Doch woran liegt dieser Unterschied? Oft ist es die Angst, dass einem nicht geglaubt wird oder die Furcht vor negativen Folgen. Und darin liegt auch der Kern des Problems. Es geht um die Schuldzuweisung: Habe ich eine Behinderung, stelle ich mir die Frage nach der eigenen Schuld gar nicht.
Blicke ich aber auf meine Waage und das angezeigte Gewicht, suche ich oft die Schuld bei mir und intepretiere vielleicht sogar fehlende Selbstkontrolle hinein. Wenn das Körpergewicht nun als eigene Verantwortung jedes Einzelnen angesehen wird, sinken die Chancen, von der Gesellschaft Rückendeckung zu bekommen. Genau deshalb wird gegen diese Beeinträchtigung weniger vorgegangen. Sicherlich ist es nur ein Erklärungsansatz und nicht die eine richtige Begründung, aber es hilft die Unterschiede zu verstehen.
Die Chance, sich erfolgreich gegen Benachteiligungen zu wehren, die wir aufgrund unseres Gewichtes erfahren, sind geringer als bei einer Diskriminierung anhand körperlicher Beeinträchtigungen. Und das ist eigentlich das viel größere Problem. Es gibt einfach keine rechtliche Handhabe. Und genau das ist wohl der ausschlaggebende Grund für diesen Unterschied. Dennoch sollten wir uns fragen, was wir dagegen tun können. Niemand sollte benachteiligt werden, egal ob es wegen des Gewichtes, der Hautfarbe, einer Behinderung oder wegen was auch immer ist. Menschen sollten im Beruf aufgrund ihres Könnens bewertet werden und nicht wegen eines Äußeren, das vielleicht nicht ins Bild passt. Und auch sonst finden wir, dass das Innere so viel mehr eine Rolle spielt.